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ANALÝZA - GERHART HAUPTMANN: VOR SONNENAUFGANG (gerhart_hauptmann-vor_sonnenaufgang.doc)
Gerhart Hauptmann - Vor Sonnenaufgang
1. Personen
Alfred Loth
Sozialreformer und Journalist: Er vertritt das Prinzip des einen Körpers, weshalb er auch keinen Alkohol akzeptiert (Abstinenzler), damit seine Nachkommen reinrassige, gesunde, erblich unvorbelastete Kinder sind. Er begibt sich in dieses Dorf, weil es nicht diesen Idealen entspricht und er die Missstände aufdecken und in einer Studie veröffentlichen möchte. –> Eugenik, glaubt an die Vererbbarkeit von z.B. Alkohol!
Hoffmann
Ingenieur, verheiratet mit Martha Krause, der Tochter des Hauses. Er ist ein skrupelloser Geschäftemacher für den selbst die Heirat in ein reiches Bauernhaus als Berechnung aufgefasst werden könnte. Dies zeigt sich auch daran, als er sich bereit erklärt, dem alten Schulfreund Loth Geld zu geben. Als dieser dann schliesslich seine wahren Ansichten und Absichten Preis gibt, verlangt er es zurück. Reichtum Ist ihm zu Kopf gestiegen, liebäugelt mit Helene.
Helene Krause
Tochter des Hauses (aus 1. Ehe). Sie ist unzufrieden mit den gesamten Umständen ihres Lebens. Durch ihre Erziehung in einem Heim ist sie nicht nur von der Bildung her allen anderen Familienmitgliedern überlegen, sondern kennt auch ein anderes Leben, als das sittlich verfallene und perspektivenlose. Sie hat den Mut zum Widerstand gegen die Missstände der Umgebung.
Herr Krause
Bauerngutbesitzer, Alkoholiker. Durch die Rohstoffvorkommen überraschend reich geworden, wird er mit seinem Leben nicht fertig und flüchtet sich in den Alkohol und stellt seinen Töchtern nach.
Frau Krause
Krauses zweite Frau, kinderlos. Sie ist eine primitive Frau, die nur durch die Heirat zum Wohlstand gekommen ist und nicht mit diesem klarkommt.
Wilhelm Kahl
Neffe der Frau Krause. Vorbestimmt als Ehemann für Helene. Er ist ein primitiver Jüngling, der mit Frau Krause ein Verhältnis pflegt.
Dr. Schimmelpfennig
Arzt des Dorfes. Er ist politisch ähnlich eingestellt wie Loth, gut gebildet und lediglich zum Geldverdienen in Schlesien.
2. Inhalt
Im Ort Witzdorf besucht Loth seinen alten Schulfreund Hoffmann, der in eine reich gewordene Bauernfamilie eingeheiratet hat. Der Reichtum entstand durch die entdeckten Kohlevorkommen in Schlesien. Hoffmann ist aber nicht nur durch Heirat, sondern auch durch fragwürdige Geschäfte zu Geld gekommen. Loth im Gegensatz ist ziemlich arm, so dass er Hoffmann sogar um Geld bitten muss. Loth, der Sozialreformen für nötig hält, ist in diese Gegend gekommen, um über das Leben der Bergleute und den Geschäftemachern drumherum zu schreiben. Hier entsteht ein Konflikt mit Hoffmann, der dies nicht gutheissen kann. Als Loth sich nun mit Hoffmann und auch anderen Familienmitgliedern unterhält, erfährt er wie die Verhältnisse in der Gegend sind. Der übermässige Alkoholkonsum ist ein sehr grosses Problem, aber auch sexuelle Zügellosigkeit, die in Ehebruch und Kuppelei gipfeln. Dies bekommt er u.a. mit, als er eines morgens sieht, wie Wilhelm Kahl aus dem Zimmer seiner Tante, Frau Kruse, kommt. Helene, die in einem Pflegeheim aufgewachsen ist und eine „andere“ Welt kennt, findet in Loth eine Person, die die hiesigen Zustände auch inakzeptabel findet. Die beiden verlieben sich. Doch für Loth kommt nur eine Frau in Frage, die einwandfreies Erbgut besitzt (s.o.). Loth trifft einemal Helene’s Vater besoffen in der Kneipe und nimmt ihn als Beispiel für einen Vater her, dessen Tochter er nie heiraten würde. Helene’s Schwester Martha erwartet ein Kind. Aus diesem Grund kommt Dr. Schimmelpfennig ins Haus, der ein alter Studienfreund von Loth ist und ihm in seiner Grundeinstellung ähnlich gesinnt ist. Schimmelpfennig verrät Loth wie die wahren Verhältnisse in diesem Haus sind und so beschliesst Loth, das Haus zu verlassen. Als Helene das erfährt, begeht sie Selbstmord.
3. Themen
Das Drama zeigt eindeutig und unverblümt die Probleme der damaligen Zeit auf. Das Kernproblem der Liebesgeschichte ist ganz eng mit der gesellschaftlichen Problematik der damaligen Zeit verbunden. Der schnelle Reichtum einiger Bauern durch die industrielle Entwicklung und die dadurch veränderte Gesellschaft zu einer brutalen Kapitalistengesellschaft wird hier dem Leser näher gebracht.
In diesem Stück legt Hauptmann grossen Wert auf weitgehend Vollständigkeit der darzustellenden Dinge. Seine Absicht, das Milieu so eindeutig wie möglich darzustellen, lässt sich auch an der sehr genau gefassten Regieanweisungen beweisen. Ebenso wie die Umgebung streng vorgeschrieben ist, will Hauptmann auch an den menschlichen Charakteren nichts verändern und lässt die beteiligten Personen in der ihrer sozialen Schicht entsprechenden Sprache sprechen (Dienerschaft im Dialekt, Frau Krause im Dialekt, Hoffmann in Hochsprache mit leicht umgangssprachlichem Einschlag, Loth und Helene reines Hochdeutsch).
Hauptmann will aber auch als Vertreter dieser Zeit dem Leser durch Loth die Ideale seiner Jugend suggestieren. Die Rassenreinheit und den Sozialdemokratismus, die ihn in seiner Jugend faszinierten, kommen durch Loth zum Ausdruck als eine Art Lösung dieser Missstände.
Wie auf dem Buchdeckel ersichtlich, handelt es sich bei „Vor Sonnenaufgang“ um ein soziales Drama, d.h. die Gesellschaft wird kritisiert.
Kritik
- Staats- und Gesellschaftsform
- Wirtschaftssystem
- Gesellschaftsordnung
- Familie
Staats- und Gesellschaftsform
Loth und Hoffmann haben unterschiedliche Auffassungen über das Staats- und Gesellschaftswesen. Die Kritik zielt besonders auf die konservative Herrschaft inkl. Machtmissbrauch. Hoffmann verachtet die Massen und hat eine extreme Staatsgläubigkeit. Das Ziel von Loth wäre ein Musterstaat, eine utopische Mustersiedlung, wie die beiden vor Jahren in Amerika errichten wollten.
Wichtig: Heute findet man den Sozialismus nicht mehr die Lösung. Somit sieht man Loth auch nicht mehr unbedingt als ein richtiger Held. -> Man muss den Roman kritisch lesen! Für uns sind die Auffassungen von Loth und Hoffmann zwei radikale Ansichten, keine ist wirklich besser als die andere.
Wirtschaftssystem
Beleuchtet wird die Organisationsform des wirtschaftlichen Systems und seine Folgen für das Leben jedes Individuums. Das Problem des Kapitalismus ist dabei eng verbunden mit der Arbeiterfrage. Eine wichtige Folge des Kapitalismus ist die ständige Zurschaustellung des Reichtums (z.B. Begrüssungsszene Loth/Hoffmann). Hoffmann als Vertreter des kapitalistischen Systems wird als Betrüger und Ausbeuter übelster Sorte geschildert. Die enorm schlechten Arbeitsbedingungen, gekoppelt mit Ausbeutung, führen zwangsläufig zu Unfällen und Toten. Dies wird sowohl durch Loth als auch durch Helene berichtet.
Loths Lösungsversuch: Sozialismus
Gesellschaftsordnung
Die soziale Struktur der Klassengesellschaft, mit dem Adel als Führer der Gesellschaftspyramide war dem jungen Sozialisten Hauptmann ein Dorn im Auge. Durch die Kohlefunde in Schlesien ergab sich eine neue Geldklasse neben dem etablierten Bürgertum. Familie Krause ist ein Beispiel dieser neuen Klasse. Wichtig ist, dass diese reichen Bauerngutsbesitzer nicht ihrem eigenen Stand zu einer besseren gesellschaftlichen Stellung verhelfen wollen, sondern sie wollen sich dem Adel annähern. Zudem wird in Vor Sonnenaufgang die Verlogenheit der Bauern kritisiert. So wird z.B. Bleibst mit Schweigegeld mundtot gemacht nach dem Ehebruch von Frau Krause und Wilhelm Kahl. Ein anderes Beispiel ist Frau Krause, die die Bauernmagd Marie vom Hof jagen will, nachdem sie sie mit einem Knecht im Bett erwischt hat. Doch Frau Krause ist überhaupt nicht besser mit ihrem Verhältnis zu Wilhelm Kahl.
Familie
Die Darstellung des Niederganges der Familie Krause ist das zentrale Thema der Gesellschaftskritik im Drama. An der Zerrüttelung der Familie werden die gesellschaftlichen Missstände zuerst deutlich. In den Dramen von Hauptmann ist der wichtigste Grund für den Zerfall der Familie der vererbbare Alkoholismus. Hauptmann gehört zu jenen Leuten, die von der Vererbbarkeit (als Erbkrankheit) des Alkoholismus überzeugt sind. Der Hauptkonflikt besteht zwischen den Folgen des Alkoholismus und den Fragen der Eugenik.
Für die unteren Schichten dient der Alkohol nach Hauptmann v.a. als Narkotikum. Die kapitalistische Klasse trinkt, weil sie zu viel Zeit und Geld hat. Die proletarische Klasse trinkt, weil sie zu wenig Geld und zu viele Sorgen hat. Bei den Bauern dient der Alkohol als Mittel, das psychologische Hemmungen beseitigt.
Milieutheorie (D. Hume)
Umfeld hat direkte Einwirkungen auf den Menschen. Durch Vererbung wird man gezeichnet. In der Milieutheorie wird schlechtes Verhalten entschuldigt, da das Umfeld verantwortlich ist.
Umfeld von Helene
- fehlende Kultur (Frau Krause)
- Verrohung (Kahl)
- Alkohol (Krause)
- Akt 4: Intrigen (S. 88)
- Fehlende Bildung
- Geistige Demenz (Bsp: Hopslabär), nicht ganz hell
–> Loth erscheint für Helene als Retter, um aus diesem hirn- und perspektivlosen Umfeld zu entkommen
4. Textstellen
S. 53, Loth: „Verkehrtheit der Verhältnisse“: Bezieht sich auf die soziale Ungerechtigkeit:
- Justiz: Legimitation von Mord, im Alltag verboten
- Ökonomisch: Proletariat (2-Klassen-Gesellschaft) vs. Fabrikanten (Hoffmann) -> Frühkapitalismus
- Religion: Im Dienste des Staates/Politik -> Missbrauch
–> Weltverbesserer, radikal, Idealist, Utopist ; aber kein Sinn für „Naturalisten“ (S. 51)
Konflikte im 1.Akt:
- Loth ist Abstinenzler, Vater Krause oft besoffen, Hoffmann ist Weinliebhaber, Loth’s Abstinenz: soziale Konsequenzen und Vererbungstheorie v. Alkoholismus
-> Helene: Tochter eines Alkoholikers (macht Liebe unmöglich!) - Loth’s Absicht: Bericht über Bergleute (S.24/25).
Hoffmann: Hat Schiss dass seine krummen Geschäfte auffliegen
5. Epoche
- Naturalismus, Kernzeit: 1885-1895
- Vor Sonnenaufgang: 1889
- Ziel der Literatur: Aufdeckung gesellschaftlicher Missstände. Naturalismus möchte Realität möglichst ungeschminkt darstellen.
6. Autor
Gerhard Hauptmann wurde am 15. November 1862 in Schlesien geboren. Seine Familie war bürgerlich und Besitzer eines Gasthofes. Bis 15 besuchte er die Schule in Breslau und Dresden. In seiner Jugend wollte er Bildhauer werden, studierte später an der Uni Jena Philosophie und Literaturgeschichte. Ab 1883 war er freischaffender Bildhauer in Rom bis er 1885 seine erste Frau Marie Thienemann heiratete (Scheidung: 1904). 1904 heiratete er seine zweite Frau Margarete Marschalk. Hauptmann war viel auf Reisen (England, Amerika, Italien). 1912 erhielt Hauptmann den Nobelpreis. Viele seiner Werke schrieb er in Berlin. Er starb am 6. Juni1946 in Agnetendorf.