Návrat na detail prednášky / Stiahnuť prednášku / Univerzita Komenského / Pedagogická fakulta / NE - NEMECKÁ LITERATÚRA 18.STOROčIA
Schiller - Wilhelm Tell (analýza) (schiller-wilhelm_tell.doc)
Schiller - Wilhelm Tell
Wilhelm Tell ist ein sagenhafter schweizerischer Freiheitskämpfer und Tyrannenmörder, der an der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert in der Innerschweiz gelebt haben soll. Der Dichter Friedrich Schiller verfasste in seiner späten Schaffensphase das berühmte gleichnamige Bühnenwerk. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ist Tell der Nationalheld der Schweiz.
Handlung
1 Aufzug: (Szene 1) Mitten in der Schweiz, am hohen Felsenufer des Vierwaldstättersees. Das Eingangslied gibt implizit einen Schlüssel zu Tells Charakter. Ein Hirte, ein Jäger und ein Fischer erörtern ein aufziehendes Unwetter, als ein Flüchtling erscheint: Konrad Baumgarten. Habsburgische Söldner verfolgen ihn, weil er Wolfenschießen, den Burgvogt von Unterwalden, erschlagen hat – der hatte ihm die Frau schänden wollen. Wilhelm Tell tritt hinzu, und alle bestürmen den Fischer, den Flüchtling über den See zu rudern, doch der kennt den Föhnsturm und weigert sich. Nun wagt es Tell, mit Erfolg. Zur Vergeltung verheeren die eintreffenden Verfolger Hütten und Herden. (Szene 2) In Schwyz bewegt die Großbäuerin Gertrud Stauffacher ihren Mann, sich mit anderen zusammenzutun und der habsburgischen Tyrannei entgegen zu treten. (Szene 3) In Uris Hauptort Altdorf leisten Bauern und Handwerker Frondienst: Eine habsburgische Zwingburg soll zur Beendung der alten Reichsfreiheit der Innerschweizer Orte errichtet werden. Der Hut des Vogtes Hermann Gessler wird auf die Stange gesteckt, den alle grüßen müssen. (Szene 4) Der Schwyzer Werner Stauffacher, der junge Unterwaldner Arnold von Melchthal, geflüchteter Sohn eines willkürlich beraubten Bauern, und der greise Urner Walter Fürst verbünden sich zu einem Aufstand.
2. Aufzug. In (Szene 1) wird die Uneinigkeit des eingesessenen Adels gezeigt: Der bejahrte Freiherr von Attinghausen äußert Verständnis für den Unmut im Volk, sein junger Neffe Ulrich von Rudenz hingegen ergreift Partei für die Sache Habsburgs: „Nein Oheim! Wohltat ist’s und weise Vorsicht | in diesen Zeiten der Parteiung | sich anzuschließen an ein mächtig Haupt.“ (Szene 2) Eine Kernszene des Schauspiels: Verschworene aus Uri, Schwyz und Unterwalden versammeln sich im Mondlicht auf dem Rütli, unter ihnen Fürst, Stauffacher und Melchthal, nicht jedoch Tell. Unter der Leitung des Altlandammans Itel Reding bilden sie eine Landsgemeinde und begründen die Eidgenossenschaft – sozusagen die erste kontinentaleuropäische verfassunggebende Versammlung. Sie beschließen die Vertreibung der habsburgischen Besatzungsmacht und stimmen über Einzelheiten des Planes ab .
3. Aufzug. (Szene 1) beginnt auf Tells Hof, charakteristischerweise repariert er seine Pforte selbst (Die Axt im Haus erspart den Zimmermann). Er bricht mit seinem älteren Sohn nach Altdorf auf – vergebens versucht seine Gattin Hedwig, ihn zurück zu halten, da sie Schlimmes ahnt. (Szene 2) Das Ritterfräulein Bertha von Brunek gewinnt während einer Hofjagd Ulrich von Rudenz für die eidgenössische Sache. (Szene 3, dramatischer Höhepunkt): Tell grüßt den vom Landvogt Hermann Gessler aufgesteckten Hut nicht und wird von dessen Bütteln verhaftet. Gessler selbst tritt auf und zwingt ihn, vom Kopf des eigenen Kindes zur Rettung beider Leben und für seine Freilassung einen Apfel zu schießen. Tell entnimmt seinem Köcher zwei Pfeile und trifft den Apfel. Der Frage des Vogtes, wozu der andere Pfeil bestimmt gewesen sei, weicht er zunächst aus. Gessler sichert ihm das Leben zu, was immer er antworte. Darauf sagt ihm Tell ins Gesicht, der zweite Pfeil sei für ihn gewesen, hätte er seinen Sohn getroffen. Gessler windet sich aus seiner Zusage hinaus und lässt ihn fesseln, um ihn einzukerkern.
4. Aufzug. (Szene 1): Tell konnte seinen Häschern wegen eines Seesturms entkommen. Er lässt sich von einem Fischerknaben einen heimlichen Weg nach Küssnacht zeigen und tut dessen Vater kund, man werde noch von ihm hören. (Szene 2) Der sterbende Attinghausen spricht im Kreis seines Gesindes und seiner Freunde aus, die Sonderstellung des Blutadels sei zuende: „Der Adel steigt von seinen alten Burgen | Und schwört den Städten seinen Bürgereid“; seine letzten Worte sind: „Seid einig – einig – einig“. Sein Neffe Rudenz tritt dem eidgenössischen Bund bei. (Szene 3) In der hohlen Gasse bei Küssnacht lauert Tell Gessler auf. Sein Monolog gibt das ihm höchsteigene Motiv zu diesem schweren Entschluss: dem unnatürlichen, „teufelischen“ Treiben des Vogtes ein Ende zu setzen; sein Pfeil tötet ihn, als er gerade eine Bittstellerin überreiten will.
5. Aufzug. (Szene 1): Die Zwingburg in Altdorf wird geschleift, gemeinsam erretten der Adelige Rudenz und der Bauernsohn Melchtal Berta aus dem Verlies. Dann trifft eine Nachricht von Johannes Müller ein (Schiller hat damit dem Schweizer Historiker Johannes von Müller, dem er viele Einzelheiten verdankt, ein kleines Denkmal gesetzt): Der habsburgische König Albrecht sei von seinem Neffen Johannes Parricida ermordet worden, da er dem sein Erbe hatte vorenthalten wollen. Gerade dieser König aber hatte die verbriefte Reichsunmittelbarkeit der Schweizer missachtet, um sie zu habsburgischen Lehnsleuten zu machen. (Szene 2) Tells Frau wirft ihm vor, das Leben seines Kindes gefährdet zu haben. Der flüchtige Parricida tritt auf und bittet den Tyrannenmörder Tell um Beistand. Tell weist auf den großen Unterschied beider Taten hin: „Darfst du der Ehrsucht blutge Schuld vermengen | mit der gerechten Notwehr eines Vaters? “; er bewegt ihn, in Rom dem Papst die „grässliche“ Tat zu beichten. (Szene 3) Das Volk strömt herbei und bejubelt Tells Tat. Ihn selbst lässt Schiller, der Meister der Dramenschlüsse, hier ganz zurück treten; er endet vielmehr damit, die Frauen und die Unfreien einzubeziehen: Berta von Brunek verbindet sich mit Rudenz: „So reich ich diesem Jüngling meine Rechte, | Die freie Schweizerin dem freien Mann!“. Rudenz' Antwort beschließt das Stück: „Und frei erklär ich alle meine Knechte.“
Deutung
„Wilhelm Tell“ ist Schillers letztes, sechzehn Monate vor seinem Tod und auf der Höhe seiner dichterischen Professionalität fertiggestelltes Bühnenwerk. Der fromme Bergwildjäger Tell ist der natürlich freiheitsliebende Tatmensch (Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht), der der Willkür des sadistischen Machttechnikers Gessler beherzt und beispielgebend entgegen tritt. Doch nicht nur: Er verkörpert auch das Ideal der Synthese von hochentwickeltem sittlichen Gefühl und praktischem Verstand. Gessler verkörpert hingegen die gefühlsrohe, sittlich verkommene Machtgier. Indem er Tell dazu zwingt, auf das Haupt des eigenen Kindes zu schießen, vergewaltigt er die Menschennatur.
Wegen seines zivilisatorischen Gehalts, aber auch wegen seiner vollendeten künstlerischen Form galt das Schauspiel nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ als wichtigstes Theaterstück im gymnasialen Deutschunterricht, welches noch in den 1960er Jahren meist im 10. Schuljahr behandelt wurde.
Die Rolle der Frauen
In dem freiheitlichen Bühnenwerk verbünden sich nicht nur die Orte Uri, Schwyz und Unterwalden, sondern auch Alte und Junge, Frauen und Männer sowie Angehörige verschiedener Stände bzw. Gesellschaftsschichten gegen die habsburgische Tyrannei.
Je eine Frau aus allen drei Ständen ist dabei teilweise radikaler als die männlichen Protagonisten. So ermutigt Gertrud ihren Gatten Werner Stauffacher: „Zu Schwytz sich alle Redlichen beklagen ob dieses Landvogts Geiz und Wüterei [...] Ihr seid auch Männer, wisset eure Axt zu führen“, und als er einwendet: „Wir Männer können tapfer fechtend sterben“ , was aber werde aus den Frauen, da antwortet sie: „Der letzte Weg bleibt auch dem Schwächsten offen. Ein Sprung von dieser Brücke macht mich frei.“ Bertha gewinnt Rudenz für die gemeinsame Sache. In der hohlen Gasse stellt sich Armgard, Gattin eines ohne Richterspruch eingekerkerten armen Wildheuers (Bergwiesenmähers), mit ihren hungernden Kindern dem Vogt verzweifelt und beherzt in den Weg und bittet um die Freilassung ihres Mannes; als Gessler sie und ihre Kinder niederzureiten droht, durchbohrt ihn Tells Pfeil. Armgard hebt darauf eines ihrer Kleinen empor: „Seht Kinder, wie ein Wüterich verscheidet“.
Das Recht auf Widerstand
In der Rütliszene legt Schiller der Gestalt des Werner Stauffacher seine Auffassung des individuellen und kollektiven Widerstandsrechts gegen die Tyrannei in den Mund:
„Nein, eine Grenze hat Tyrannenmacht, | wenn der Gedrückte nirgends Recht kann finden, | wenn unerträglich wird die Last – greift er | hinauf getrosten Mutes in den Himmel, | und holt herunter seine ew'gen Rechte, | die droben hangen unveräußerlich | und unzerbrechlich wie die Sterne selbst – | Der alte Urstand der Natur kehrt wieder, | wo Mensch dem Menschen gegenübersteht – Zum letzten Mittel, wenn kein andres mehr | verfangen will, ist ihm das Schwert gegeben – | Der Güter höchstes dürfen wir verteid'gen | gegen Gewalt [...]“
„Der alte Urstand der Natur kehrt wieder“ – diese Formulierung verweist auf Schillers Auffassung des Naturrechts: Tell verkörpert Schillers Ideal des freien Menschen, der sich seiner vernunft- und sprachbegabten Menschennatur bewusst ist und sich von keinem anderen menschlichen Wesen unterjochen lässt. Der Widerstand gegen die Besatzungsmacht ist gerechtfertigt, weil die Innerschweizer Einheimischen mit ihrer Freiheit nichts weniger als ihre Menschenwürde verteidigen.
Sprache und Sprechen ist für Tell – insoweit er den natürlich handelnden Menschen verkörpert – nicht primäre Äußerung und kein gerne aufgegriffenes diskursives Medium. Deswegen spricht Tell am Anfang des Stückes wenig, und wenn er etwas rechtfertigt, kleidet er seine Weisheiten in volkstümliche Sentenzen oder Gnomen: „Das schwere Herz wird nicht durch Worte leicht.“ Sein – im Stück später – Monolog erst zeigt, dass in ihm eine Änderung vorgegangen ist. Seine Armbrust wird er nach dem Gesslerschuss nicht mehr benutzen.
Stellungnahme zur Revolution von 1789
Schiller setzt sich in dem Schauspiel nicht direkt mit der französischen Revolution auseinander, obwohl dies viele Zeitgenossen von ihm erwarteten. Die jakobinischen Revolutionäre hatten sich u. a. auf den Tellmythos berufen, als sie den französischen König enthaupteten, ebenso wie zahlreiche Adelige und ihnen opponierende Revolutionäre des Dritten Standes.
Es geht dem älteren Schiller vielmehr um die Bewahrung und Entwicklung des „Herrlichen der Menschheit“ überhaupt, wenn er sittlich entfaltete Individualität und rechtlich geordnete Kollektivität in einer Art Musterrevolution gegen die Willkürherrschaft zusammenführt (Rede des Freiherrn von Attinghausen auf dem Sterbebett, IV. Akt, zweite Szene). Er bezieht sich dabei allerdings auch auf die revolutionäre Erklärung der Menschenrechte von 1789, thematisiert aber indirekt ebenso die brutalen Auswüchse der Revolution und die jakobinische Schreckensherrschaft (La Terreur) unter Robespierre 1793–1794: